
Nicht überall, wo Dampf ist, ist auch Feuer. Die Liquids für die E-Zigaretten müssen jedoch aus sicheren Quellen stammen, sonst kann es brenzlig werden. (Bild: Larry W. Smith / EPA)
Die schweren Lungenerkrankungen und Todesfälle der jungen Dampfer in den USA haben weltweit für Verunsicherung gesorgt. Ist die Angst berechtigt?
Was wir in Amerika sehen, ist ein neues Phänomen. Dort werden E-Zigaretten zunehmend genutzt, um THC (die Abkürzung steht für Tetrahydrocannabinol, den berauschenden Inhaltsstoff von Cannabis) oder andere Cannabis-Produkte zu inhalieren. In zwei Gliedstaaten, Illinois und Wisconsin, wurden die Fälle jetzt genauer untersucht. Wie aus den Analysen hervorgeht, handelte es sich bei den Betroffenen grösstenteils um durchschnittlich 19 Jahre alte Jugendliche. Insgesamt 84 Prozent der Betroffenen hatten offenbar THC-haltige E-Liquids inhaliert. Die Tatsache, dass der Konsum von Cannabis in Illinois und Wisconsin – anders als in vielen anderen US-Gliedstaaten – nicht erlaubt ist, hat bei den schweren Erkrankungsfällen vermutlich eine Rolle gespielt.

Reto Auer ist Forschungsleiter am Institut für Hausarztmedizin der Universität Bern. (Bild: PD)
Wie genau?
Aufgrund des Verbots mussten die Jugendlichen die mit THC angereicherten E-Liquids auf dem Schwarzmarkt besorgen. Das birgt aus mehreren Gründen grosse Risiken. So lässt sich THC nur mithilfe von Lösungsmitteln aus der Hanfpflanze gewinnen. Erfolgt dieser Schritt nicht mit grösster Sorgfalt, können Reste der teilweise schädlichen Extraktionsmittel in das E-Liquid gelangen. Zu Verunreinigungen kann es aber auch kommen, wenn Cannabis nicht sachgemäss gelagert wird und sich darin etwa Konservierungsstoffe oder Schimmelpilze anreichern. Ein weiteres Problem ist: Die mit E-Zigaretten inhalierten Cannabis-Produkte liegen in einer öligen Form vor. Werden die THC-Öle in zu grossen Mengen gedampft, können sie die Lunge verkleben.
Nicht alle Jugendlichen sollen allerdings Cannabis-Produkte gedampft haben. Gehen von den gängigen E-Liquids für E-Zigaretten ebenfalls gesundheitliche Gefahren aus?
Nach rund fünfzehn Jahren Erfahrung kann man sagen, dass E-Zigaretten den meisten Menschen kurz- und mittelfristig nicht schaden. Wer extrem viel dampft, kann jedoch Lungenprobleme bekommen. Auch gibt es Personen, die auf manche Inhaltsstoffe der E-Liquids allergisch reagieren.
Und wie steht es um die langfristige Schädigung?
Das wissen wir noch nicht. Sicher ist aber, dass es der Gesundheit sehr viel weniger schadet als Tabakrauchen. Von 1000 Rauchern sterben rund 500 an den Folgen des Tabakkonsums. Beim Dampfen ist dieser Anteil viel geringer – wie viel geringer, lässt sich allerdings noch nicht sagen.
Das wäre aber wichtig zu wissen.
Mehr Klarheit erhoffen wir uns von unserer neuen Studie ESTxENDS, die vom Schweizerischen Nationalfonds, von der Krebsliga und dem Tabakpräventionsfonds des Eidgenössischen Departements des Inneren unterstützt wird. Darin gehen wir der Frage nach, ob E-Zigaretten den Ausstieg aus dem Tabakrauchen erleichtern. Darüber hinaus wollen wir auch herausfinden, ob regelmässiges Dampfen der Lunge zusetzt und wie sicher es insgesamt ist.
Wann haben wir die Ergebnisse auf dem Tisch?
Frühestens in zwei Jahren. Bis jetzt konnten wir rund 500 Raucherinnen und Raucher in die Studie einbeziehen, geplant sind knapp 1200. Wir hoffen daher, dass sich noch mehr Freiwillige bei uns melden.
Zurück zu den schweren Zwischenfällen in Amerika: Ist so etwas auch in der Schweiz denkbar?
So etwas kann überall auf der Welt passieren, auch bei uns. Denn auch in der Schweiz besteht die Möglichkeit, illegale Stoffe auf dem Schwarzmarkt zu besorgen. In Amerika ist dieses Risiko unter anderem deshalb besonders gross, weil der Markt völlig unreguliert ist. Selbst Sirup kann man dort als E-Liquid verkaufen.
Was ist bei uns anders?
In Europa gibt es bestimmte Regeln, die nach dem Cassis-de-Dijon-Prinzip generell auch in der Schweiz gelten. So dürfen E-Flüssigkeiten beispielsweise höchstens 20 Milligramm Nikotin pro Milliliter Flüssigkeit enthalten.
Reicht das für die Sicherheit aus?
Insgesamt halte ich die Regulierung noch für zu wenig weitgehend. Denn die Dampfer sollten wissen, was sie genau inhalieren. Vorbildlich ist diesbezüglich ein Vorstoss in Frankreich. Hier hat eine Institution namens Afnor Kriterien entwickelt, die auflisten, was ein E-Liquid enthalten darf und was nicht und wie es erzeugt werden sollte. Bis jetzt sind die Bestimmungen zwar nicht obligatorisch. Die Hersteller haben jedoch die Möglichkeit, ihre E-Liquids dort zertifizieren zu lassen.
Müssen sich E-Dampfer auch hierzulande Sorgen machen, dass sie an toxische E-Liquids geraten?
Nein, zumindest dann nicht, wenn sie die Flüssigkeit von einem der etablierten Hersteller beziehen. Riskant sind dagegen Produkte, die man von unbekannten Quellen oder auf dem Schwarzmarkt bezieht.
Was weiss man über die krebserzeugende Wirkung von E-Zigaretten?
In den E-Liquids befinden sich unter anderem Propylenglykol und Glyzerin. Dabei handelt es sich um Geschmacksträger und Süssmittel, die auch in der Lebensmittelindustrie verwendet werden. In der Nähe der Heizwendel, wo in den Verdampfungsgeräten die höchsten Temperaturen herrschen, entstehen aus Propylenglykol und Glyzerin die Stoffe Formaldehyd und Azetaldehyd. Beide Verbindungen können Lungenreizungen, Herzinfarkte und Krebs auslösen. Ihre Konzentration in den E-Liquids ist meist sehr gering. Problematisch sind darüber hinaus manche Aromastoffe. So sollen bestimmte Vanille- und Zimtgeschmäcker die Blutgefässe schädigen und Krebs erzeugen. Von diesen sollte man daher besser die Finger lassen.
Müssen Sie als Arzt nicht generell von E-Zigaretten abraten?
Bei den Gesundheitsrisiken sollte man berücksichtigen, dass das Schadenspotenzial von E-Zigaretten massgeblich vom Nutzer abhängt: Steigt ein Raucher auf E-Zigaretten um, atmet er sehr viel weniger Schadstoffe ein als zuvor. Anders sieht es aus, wenn Nichtraucher zur E-Zigarette greifen.
Stichwort Tabakentwöhnung: Der Leiter der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC sieht den diesbezüglichen Nutzen von E-Zigaretten ausgesprochen kritisch. Demnach steigen die meisten Raucher nicht um, sondern verwenden am Ende beides.
Am Anfang benötigen die meisten Raucher in der Tat beides. Das gilt vor allem, wenn sie nicht richtig unterstützt werden. Aber auch, wenn die E-Liquids zu wenig Nikotin enthalten, besteht die Gefahr, dass die Leute weiterrauchen. Die grundsätzliche Frage dabei ist: Verzichten sie mit der Zeit ganz auf Tabak, oder kommen sie davon nicht los?
Wie ist die Antwort?
Gemäss einer wissenschaftlichen Analyse der vorhandenen Studiendaten aus dem Jahr 2016 kann das Dampfen dabei helfen, mit dem Rauchen aufzuhören. Zum gleichen Ergebnis kommen auch zwei neue Studien, eine aus Grossbritannien und die andere aus Neuseeland. Wie sie zeigen, gelingt eine Tabakentwöhnung mit E-Zigaretten deutlich besser als mit einer Nikotinersatztherapie – vorausgesetzt, die E-Liquids enthalten Nikotin.