E-Zigaretten geraten mehr und mehr inVerruf

E-Zigaretten: Sehen aus wie Tech und wirken wie Gift
Nach zahlreichen Erkrankungen und sogar Todesfällen gilt der Konsum von E-Zigaretten als Gesundheitsrisiko. Der US-Gliedstaat New York kündigt sogar ein weitflächiges Verbot an. Mitten in diesem Sturm steht das Unternehmen Juul, das den Markt überhaupt erst geschaffen hat. Ein Umdenken ist überfällig.
Krim Delko, San Francisco
Jugendliche waren die Hauptzielgruppe der Juul-Zigaretten-Erfinder. Nun sind sie auch die Hauptleidtragenden. (Bild: Ennio Leanza / Keystone)

Jugendliche waren die Hauptzielgruppe der Juul-Zigaretten-Erfinder. Nun sind sie auch die Hauptleidtragenden. (Bild: Ennio Leanza / Keystone)

Die Kontroverse rund um die E-Zigaretten der Marke Juul betrifft nicht nur die Tabakindustrie. Es geht hier auch um den Ruf des Silicon Valley. Lange galt das Venture-Capital-Modell als Kronjuwel der amerikanischen Wirtschaft. Doch nun rollt die Kritik von allen Seiten über das Silicon Valley herein. Wenn aggressive Startup-Gründer ihre Erfindungen mit dem vermeintlichen Weltverbesserungsimage des Technologiesektors veredeln und teilweise hemmungslos ihr Wachstum vorantreiben, kann das fatale Folgen haben.

Nur weil etwas mit Technologie zu tun hat, heisst das noch lange nicht, dass die soziale Verantwortung umgangen werden darf. Ein paar Zeilen Code sind keine Entschuldigung für amoralisches Verhalten. Das trifft für E-Zigaretten genauso zu wie für soziale Netzwerke oder Computerspiele. Juul hat sich unter dem Deckmantel von technologischer Innovation und einem spirituell inspirierten Unternehmensimage als Katalysator für eine bessere Zukunft vermarktet. Nun steht das Startup aus San Francisco im Auge eines Gesundheitssturms. Besorgniserregend sind die Parallelen zu anderen Bereichen des Tech-Sektors, zumal es wieder die jüngeren Benutzer sind, die den grössten Schaden davontragen. Ein Umdenken im Silicon Valley ist überfällig. Zu hoffen bleibt, dass der Juul-Skandal die Branche aufrüttelt.

Vom kreativen Startup zum Silicon-Valley-Albtraum

Die Geschichte liest sich wie ein Skript aus Hollywood: Zwei Stanford-Studenten entwickeln ein elektronisches Gerät, das nicht nur zum kommerziellen Erfolg wird, sondern auch noch die Jugend vor dem Rauchen schützen soll. Mit Hauptsitz im alten Hafenquartier von San Francisco, wo die einst raue Arbeiterwelt mit hippen Coffee-Shops und Startup-Büros aufgemotzt worden ist, stand Juul im Zentrum einer Revolution im Tabakgeschäft. Mit den sogenannten E-Zigaretten war es den Gründern Adam Bowen und James Monsees gelungen, ein offenbar unschädliches Substitut für den Glimmstengel zu entwickeln. Die Dinger sehen aus wie kleine USB-Ports und passen daher bestens ins Sortiment der technologiebesessenen Teenager. Dazu kommt, dass man den Benutzern eingeredet hat, der Konsum von E-Zigaretten sei gesundheitlich unbedenklich.

New York verbietet zahlreiche E-Zigaretten

Bis plötzlich zahlreiche Benutzer mit Lungenbeschwerden ins Spital eingeliefert wurden. Mittlerweile ist es sogar zu Todesfällen gekommen. Juul-Chef Kevin Burns zeigt sich mit Demut in der Öffentlichkeit und versucht, den Schaden zu begrenzen. Die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat zwar keine unmittelbare Todesgefahr durch E-Zigaretten erkannt, warnt die Bevölkerung jedoch davor, dass Zusammenhänge zwischen Juul-Produkten und den Lungenerkrankungen bestehen. Wie gross die Angst von Behörden ist, zeigt unter anderem die Werbekampagne der Stadt San Francisco, die durch Plakate mit der Aufschrift «Looks like Tech, Works like Poison» der Bevölkerung klarmachen will, dass es sich hier nicht um coole technische Innovationen handelt, sondern um gefährliche Substanzen. Der Gliedstaat New York hat jetzt ein weitflächiges Verbot gegenüber Tausenden von Aromen der E-Zigaretten angekündigt. Auch die Trump-Administration will offenbar Einschränkungen.

Altria hat Milliarden investiert

Ein Problem ist das Debakel nicht nur für Juul. Der Tabakkonzern Altria hat kürzlich rund 12 Mrd. $ für eine 35%ige Beteiligung an dem Unternehmen auf den Tisch gelegt. Mit E-Zigaretten sollte die Raucherkultur in den USA neu belebt werden. Nun sitzt Altria auf einer Milliardenbeteiligung, deren Wert täglich schrumpft.

Im Kern geht es bei Juul um den Umgang mit Sucht und gesundheitsschädlichen Substanzen. Das Handeln der Gründer lässt vermuten, dass sie nicht wirklich an eine bessere Zukunft glaubten. Juul-Produkte wurden systematisch so entwickelt und vermarktet, dass sie die Jungen ansprachen. Dass dabei neuere Marketingtricks insbesondere via soziale Netzwerke angewandt wurden, wie etwa der gezielte Einsatz von sogenannten Influencern, ist wohl kein Zufall.

Ähnlich wie bei der Produktion von E-Zigaretten stellen sich auch bei der Vermarktung durch soziale Netzwerke ernste Fragen. Auch hier kehren die Verantwortlichen gerne die technischen Innovationen und das Weltverbesserungspotenzial hervor. Doch was wirklich zählt, ist meist etwas ganz anderes. Benutzer werden durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz an die jeweilige Plattform gebunden, was laut zahlreichen wissenschaftlichen Studien zu Suchtverhalten am Handy beigetragen hat. Bemerkenswert ist dabei unter anderem, dass bestimmte Mechanismen der sozialen Netzwerke, wie etwa Likes, laut Studien ähnliche Bereiche des Hirns stimulieren wie Rauschmittel.

Werbeplakate mit symbolischer Message

Die Werbekampagne «Looks like Tech, Works like Poison» in San Francisco richtet sich zwar gegen E-Zigaretten. Doch man kann den Slogan durchaus auch im Zusammenhang mit den sozialen Netzwerken anwenden oder mit Computerspielen.

Niemand zweifelt an der enormen Wertschöpfung, die im Silicon Valley seit den Anfängen in den fünfziger Jahren realisiert worden ist. Die Welt ist zweifellos besser geworden dank dem Valley. Doch nun ist es höchste Zeit, dass sowohl die Unternehmer als auch die Investoren sich der enormen sozialen Verantwortung bewusst werden, die der Technologiesektor mittlerweile trägt. Vielleicht könnte die derzeitige Juul-Krise dabei als Katalysator wirken.

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