Kaffeedynastie Jacobs kauft seit Jahren Zahnarztketten in Europa und Amerika auf – NZZ

Die Kaffee- und Schokoladendynastie Jacobs krempelt die Zahnarztbranche um
und kauft über ihre Stiftung Zahnarztketten in Europa und auch Amerika.
Jetzt sind auch Privatschulen an der Reihe und die Einkaufstour soll bis zur Marktführerschaft weitergehen.
Original Wortlaut des Artikels aus der NZZ. Link unten.
Teekannen und Zubehör in der Jacobs Foundation im Zürcher Seefeld. Das Kaffee-Geschäft wurde 1990 an Kraft Foods verkauft und gehört heute zu Mondelez. (Bild: Annick Ramp / NZZ)

Teekannen und Zubehör in der Jacobs Foundation im Zürcher Seefeld. Das Kaffee-Geschäft wurde 1990 an Kraft Foods verkauft und gehört heute zu Mondelez. (Bild: Annick Ramp / NZZ)

Die Kaffee- und Schokoladendynastie Jacobs krempelt die Zahnarztbranche um
Über ihre Zürcher Stiftung hat die aus Deutschland stammende Unternehmer-Familie Jacobs in knapp zwei Jahren eine der grössten Zahnarztketten der Welt aufgebaut. Nun liebäugelt sie mit dem Einstieg in ein weiteres Gebiet.
Giorgio V. Müller
Die rund 2,2 Mrd. Fr., die die wohlhabende Unternehmerfamilie Jacobs vor rund fünf Jahren mit dem Verkauf einer 16%-Beteiligung an Adecco gelöst hat, haben nicht lange ungenutzt in der Kriegskasse verharrt. Seit Anfang 2017 wurde das Geld Schritt für Schritt für den Kauf von Zahnarztpraxen eingesetzt. Mittlerweile umfasst die als Colosseum Dental auftretende Kette in 8 europäischen Ländern und bald auch in den USA mehr als 500 Zahnarztpraxen, in denen rund 2200 Zahnärzte tätig sind. Insgesamt werden damit jährlich rund 900 Mio. Fr. umgesetzt, sagt Patrick De Maeseneire, der Präsident des Verwaltungsrats der in Zürich domizilierten Colosseum Dental Group im Gespräch.

Marktführerschaft als Ziel

Patrick G. De Maeseneire, Verwaltungsratspräsident der Colosseum Dental Group (Bild: Laurent Gilliéron / Keystone)

Patrick G. De Maeseneire, Verwaltungsratspräsident der Colosseum Dental Group (Bild: Laurent Gilliéron / Keystone)

Doch das ist erst der Anfang. «Wir träumen immer davon, die Nummer eins zu sein», sagt der 61-jährige Belgier. Als ehemaliger Konzernchef des Arbeitsvermittlers Adecco sowie des Schokoladenherstellers Barry Callebaut – beide Firmen nehmen in ihren Gebieten global führende Positionen ein – weiss er also, wovon er spricht. Deshalb muss man seine Aussage auch ernst nehmen, aus der Colosseum das «weltweit führende Unternehmen für zahnmedizinische Dienstleistungen» zu machen. Wenn er in den USA und Europa nur schon auf einen Marktanteil von 3% käme, würde daraus ein 6-Mrd.-Dollar-Geschäft, rechnet De Maeseneire vor.

Aus Sicht eines Firmenkäufers hat die Zahnarztbranche den Vorteil, dass sie nicht nur gross und lukrativ, sondern bisher äusserst fragmentiert strukturiert gewesen ist. De Maeseneire, der gleichzeitig Konzernchef der Jacobs Holding ist, spricht von einem Volumen von 400 Mrd. $, das weltweit mit Zahnarztdienstleistungen jedes Jahr umgesetzt wird. Ein grosser Teil davon entfällt auf die USA (140 Mrd. $), eine Region, in der es schon vermehrt Zahnarztketten gibt. Meist handelt es sich dabei um Gemeinschaftspraxen, in denen mehrere Zahnärzte sowie Dentalhygieniker und -spezialisten arbeiten. Trotzdem seien auch in den USA erst gut 10% des Marktes einer Kette angeschlossen, sagt De Maeseneire. In Europa, wo jährlich 60 Mrd. bis 70 Mrd. € damit umgesetzt würden, sei das Geschäft sogar noch fragmentierter, hier gehörten lediglich 6 bis 7% einer Kette an.

Die Struktur der Branche ändert sich jedoch zurzeit grundlegend. Bei den allein praktizierenden Zahnärzten macht sich vermehrt eine Überalterung breit. Die nachrückende Generation ist in zunehmendem Masse weiblich und dementsprechend geneigt, Teilzeit zu arbeiten. Ausser der hohen finanziellen Hürde, eine eigene Praxis zu eröffnen oder zu übernehmen, sind dies alles nachvollziehbare Argumente, weshalb sich ein Zahnarzt bei seiner Nachfolge oft einer Kette anschliesst. In einer Gemeinschaftspraxis lassen sich Investitionen in die Infrastruktur, zum Beispiel intraorale Scanner, sowie in die Informatik leichter und schneller amortisieren. Und die Zahnärzte werden von der bürokratischen Last entbunden, wenn sie die Schreibarbeiten an eine zentrale Stelle delegieren können.

Aus Sicht der Patienten spricht für die Wahl einer Zahnarztkette der zeitlich unbeschränkte Zugang zu Zahnärzten und Spezialisten. Die Praxis eines einzelnen Zahnarztes ist meist am Wochenende und während seiner ferienbedingten Abwesenheit geschlossen. Eine durchschnittliche Gemeinschaftspraxis umfasst in der Regel 6 bis 8 Behandlungsräume. Nicht nur beim Angebot, sondern auch bei der Transparenz in Bezug auf die Behandlungskosten gehören Zahnarztketten zu den Vorreitern.

Rasantes Expansionstempo

Der Startschuss zum Aufbau einer internationalen Zahnarztkette fiel im Januar 2017. Damals wurde in Norwegen die Colosseum Smile erworben, die in Skandinavien mit 52 Kliniken rund 130 Mio. Fr. umsetzte. Ins mediale Bewusstsein vorgedrungen sind die Ambitionen der Jacobs-Stiftung hierzulande Mitte 2017, als sie eine knappe Mehrheit an der Swiss Smile übernahm. Das vom Geschwisterpaar Haleh und Golnar Abivardi aufgebaute Unternehmen betrieb damals an 11 Standorten Kliniken, die zum Teil täglich rund um die Uhr geöffnet sind. Mittlerweile arbeiten für Swiss Smile gut 100 Zahnärzte an 13 verschiedenen Schweizer Standorten und in 18 Kliniken. Die Beteiligungsquote sei ausgebaut worden, sagt De Maeseneire. Bei einem Einstieg werde immer eine Mehrheit angestrebt. In Grossbritannien, wo 2017 mit Southern Dental 80 Kliniken hinzugekommen seien, kontrolliere Jacobs alles; in Italien, wo Odonto Salute übernommen worden sei, habe der Gründer noch eine Minderheitsbeteiligung behalten.

Dieses Vorgehen war auch bei der jüngsten Akquisition von North American Dental Group der Fall. Mit dieser Transaktion wurde erstmals der Sprung über den Atlantik gewagt. Die zu 43% von Private-Equity-Firmen (Abry Partners und The Riverside Company) und zu 57% von den Gründern und angeschlossenen Zahnärzten kontrollierte Gruppe gehört nun grösstenteils den Jacobs.

Laut Andreas Tolpeit, der als Head of Investments der Jacobs Holding für die Umsetzung der Expansionsstrategie zuständig ist, ist es bei den Verhandlungen in den USA von Vorteil gewesen, eine Familienstiftung zu sein. Dies hängt nicht zuletzt mit der Anlagestrategie zusammen: «Wir haben ähnliche Rentabilitätserwartungen wie Private-Equity-Firmen, aber einen längeren Zeithorizont», stellt De Maeseneire den Unterschied heraus. Während Finanzinvestoren in der Regel nach einigen Jahren aussteigen müssten, könnten sie ein Unternehmen kaufen und es in Ruhe aufbauen.

Laut De Maeseneire sei die Wahl auf den Zahnarztbereich gefallen, weil die Branche stark fragmentiert sei und er gleichzeitig gerne Marktführer sei. Diese Strategie kennt er noch gut aus seiner Wirkungszeit bei Adecco und Barry Callebaut, auch sie Konzerne, die in ihren Bereichen zu den grössten gehören. Ein marktführendes Unternehmen ziehe stets die fachlich besten Leute an. «Die Kunden kommen dorthin, wo die besten Zahnärzte arbeiten», sagt De Maeseneire.

Im Gegenuhrzeigersinn

Nach der Grossakquisition in den USA steckt die Gruppe zurzeit in einer Verdauungsphase. «Doch nächstes Jahr sind wir wieder offen, auch für grössere Akquisitionen», kündigt De Maeseneire an. Noch sei die Gruppe in wichtigen Ländern wie Spanien und Frankreich nicht präsent, und auch in den USA habe man erst in 11 Gliedstaaten Fuss gefasst. Ein Merkmal von ihm sei, eine geografische Expansion im Gegenuhrzeigersinn vorzunehmen, erklärt er. Konsequenterweise sollten in einer späteren Phase also Lateinamerika und Asien ins Blickfeld der Jacobs treten.

Und weil es zurzeit so gut läuft, denkt De Maeseneire laut über die gesamthafte Anlagestrategie der Jacobs-Stiftung nach. Wie viel er bisher für die Expansion ins Dentalgeschäft ausgegeben hat, will er nicht sagen, ausser: «Wir verfügen über genügend Mittel, um unsere Strategie umzusetzen.» Vielleicht werde sogar ein viertes Feld aufgetan, fügt er an. Nach Barry Callebaut, dem Zahnarztgeschäft und dem Bildungswesen – jüngst wurde für 2,5 Mrd. Fr. die britische Privatschulkette Cognita übernommen – könnte Jacobs also schon bald ein weiteres Betätigungsfeld in Angriff nehmen.

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